Es entzieht sich meiner Erinnerung, wann der silbersonorige Ton eines Akkordeons erstmals auf mein Ohr getroffen ist, wahrscheinlich in meiner Kindheit vor dem Fernseher des Elternhauses, als Stimmungsmusik zu einem Schwarzweiß-Film mit einem murrigen Jean Gabin, weshalb ich seinen Klang unweigerlich mit vom Schicksal abgehakten Kleinganoven am Seine-Ufer in Zusammenhang bringe, oder mit hungerleidenden, schwindsüchtigen Künstlern vom Montmartre – jedenfalls mit einem verregneten Paris zur Novemberzeit.

Welch bedeutenden Stellenwert das Akkordeon auch in einem Land wie Italien besitzt, dort fisarmonica gennant, ist mir allerdings erst viel später bewusst geworden, undenkbar ohne sie der liscio [sprich: lischo], die Volksmusik, die Folklore Italiens, kein gestanden rauschendes Tanzfest ohne sie – und das Gleiche lässt sich zur Genussfreude für die Ohren auch für den italienischen Jazz feststellen:

Und wie bei jeder Erfindung, die der Menschheit nachhaltig von Nutzen war, melden gleich mehrere Städte die Urheberschaft der Fisarmonica an, unter anderem Wien, London, Moskau – möge der Streitfall unter pingeligen Musikhistorikern und gewieften Patentanwälten ausgetragen werden.

Wie auch immer, unbestritten ist, dass sie Mitte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Europa das Licht der Welt erblickte, bei den breiten Volksmassen Wohlgefallen fand und sich, auch bedingt durch die eine oder andere Auswanderungswelle, auf dem gesamten Erdenball verbreitete, denn sie verfügte über zwei nicht von der Hand zu weisenden Vorteile:

Man kann sie auf Rücken tragen, und sie ist laut – Eigenheiten, die man beispielsweise einer Harfe nicht leichtens nachsagen kann …

Und so wie sich die Fisarmonica in aller Herren Länder verbreitete, fand sie auch in der weiten Welt der unterschiedlichsten Musikstile ihren Platz, hinauf bis zu unseren Zeiten, wo sie sich auch ruppig rockig zu zeigen weiß:

Und auch wenn der Fisarmonica mit der Zeit andere Instrumente den Rang abgelaufen haben, spätestens seit man begonnen hat, diese mit Strom zu versorgen, aus dem kollektiven Bewusstsein italienischen Musikempfindens ist sie nicht wegzudenken, auch nicht unter der jüngsten Generation italienischer Musiker, wie das letzte Beispiel zeigt.

– Und rechtzeitig flüchtet sich hiermit dieser Text, denn diese Tarantella spielt einem den Kopf schwindelig, außerstande fühlt man sich danach, aus den wild tanzenden Buchstaben im Kopf noch ein sinnhaftes Wort zu bilden …

WEITERSTÖBERN

WEITERSCHAUEN

  • Und auch wenn man des Italienischen nicht mächtig ist, es ist allein die Mühe Wert, sich die drei Minuten Vorspann des Films Liscio (mit einer hinreißend kreativchaotischen Laura Morante) zu gönnen, um den Zauber der Fisarmonica auch mit den Augen wahrzunehmen …

WEITERLAUSCHEN

  • Und weil gerade vom italienischen Jazz die Rede ist, ein Verweis auf sein bekanntestes Gesicht darf nicht fehlen: Tanzen mit Paolo Conte.